Original oder Fälschung ?

Traurige Realität vieler antiker Möbel

Bereits um 1980 wurden alte englische Möbel immer beliebter in Deutschland. Die zum Kauf angeboten Stücke wurden grundsätzlich als "Originale" oder als "rare Museumsqualität" angeboten. Die Preise für die begehrte Ware waren stets "günstig", gelegentlich sogar "nicht vorstellbar".

Der Nachschub an englischen Antiquitäten, schien auf wunderbare weise geradezu unerschöpflich. Immer neue Antikmärkte wurden eröffnet, aber auch die großen Kaufhäuser mischten mit und richten Abteilungen für "alt-englische" Möbel ein. Doch die meisten der angebotenen Schränke, Tische, Sekretäre oder Kommoden, verdienten die Bezeichnung "Antiquitäten" nicht.

 

Die Käufer fielen auf Kopien und Fälschungen herein - der Markt wurde überschwemmt von auf- und umgearbeiteten Stücken des Maschinenzeitalters. Weil kostbare alte Möbel sogar im britischen Stammland längst rar waren, schöpften die Lieferanten aus trüben Quellen. Nicht nur altes Bauholz lieferte den Rohstoff für nachgemachten antiken Hausrat, auch aus massigen viktorianischen Stücken wurden durch Umarbeitung zierliche Möbel der früheren Jahrhunderte gezaubert. Häufig werden schwer verkäufliche Antiquitäten zu einem einzigen, wertvollen Stück zusammengefügt.

 

Im großen Stil mitgemischt haben leider auch die vermeintlich seriösen Auktions- und Handelshäuser. Und dies nicht nur bei der wundersame Vermehrung von Antiquitäten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die  schon um 1920 begann. Im besonderen im großen Maßstab  nach dem Zweiten Weltkrieg, als mit der Herstellung richtig begonnen wurde. Containerweise wurden aus Londoner Läden mit großen Werkstätten oder aus Lagern in der englischen Provinz frisch fabrizierte "Antiquitäten" oder schlechte Kopien dieses Jahrhunderts, massenweise nach Deutschland gebracht.

 

Das "antike Mobiliar", das da zusammengepackt und verschifft wurde, hatte mit echten Antiquitäten nichts zu tun. Es waren Reproduktionen. Wahrscheinlich neun von zehn Aufsatzsekretären und Bücherschränken sind, so schätzen Experten, in Wirklichkeit nur "Marriages" - zusammengesetzt aus billigen Stücken. Für einen der beliebten Aufsatzsekretäre, suchte sich der Tischler einen breiten (und damit weniger wertvollen) Sekretär, dazu einen Vitrinenaufsatz, der in Tiefe und Breite dem Sekretär angepaßt wurde. Neu gebeizt und patiniert, als Original ausgezeichnet, brachte diese Kombination bis zu 20.000 DM ein.

 

Noch häufiger als "Marriages" wurden "Divorces" verkauft. Aus einem uninteressanten großen Möbelstück tischlerte der Handwerker drei, vier oder noch mehr Möbelstücke. So zum Beispiel aus einem voluminösen viktorianischen Kleiderschrank, ließen sich mehrere einträglichere Stücke im Stil des 18. Jahrhunderts machen. Das Riesenmöbel gab einen klassischen Bücherschrank her, die Seitenteile verwandeln sich in elegante Kommoden; Verschnitt, Zierleisten und Säulen reichen noch für Kleinmöbel.

Ebenfalls eine einträchtige Holzquelle kam beim Abbruch alter Häuser. Dicke Bodenbalken wurden zersägt und zu "antiken" Tischen im Country-Stil verarbeitet. Wandvertäfelungen verwandelten sich zu rustikale Lehnbänke , die gedrechselten Geländerstützen eines alten Treppenhauses verwendete man für die Beine der beliebten kleinen Seitentische.

 

Im "Antikmarkt", in den "Antikabteilungen" der Kaufhäuser, aber auch in Läden der feinen Antiquitäten-Branche kauften die meisten Kunden, Replikate. In dem Glauben den Händlern vertrauen zu können, wurden die Kunden um sehr viel Geld betrogen.